|
Clemens Meyer am Gedenkfindling für Wolfgang Hilbig in Meuselwitz. © privat
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
als Wolfgang-Hilbig-Botschafter nahm Clemens Meyer in den letzten Jahren zahlreiche Auftritte wahr - am 31. August 2023, Hilbigs 82. Geburtstag, sitzt er ein weiteres Mal in dieser Eigenschaft vor dem Mikro: Die Grafikausstellung "Ort der Gewitter" von Katja Enders-Plate vervollständigt Meyer mit einer "Kunde von den Bäumen". Beides ist Teil des Festivals für Industriekultur Leipzig, das dem Dichter Hilbig jeden Sommer festen Platz einräumt. Wie die bildende Kunst sich die Motivwelt Hilbigs anverwandelt, zeigt inzwischen eine eigene Videoreihe, für die die Macher nach Katja Enders-Plate jüngst auch Strawalde in seinem Atelier in Berlin-Karlshorst besuchten. Ein Geburtstagspräsent für Wolfgang Hilbig hat außerdem sein Biograf Michael Opitz erarbeitet - und in der aktuellen Ausgabe der Literaturzeitschrift SINN UND FORM publiziert. Der heutige Brief widmet sich darüber hinaus dem Kohle-Brennstoff. Auch im Sommer: Im "Flöz Leipzig" ist dieses Thema von überragender Aktualität.
Seien Sie damit herzlich gegrüßt
aus der Brief-Redaktion!
Das Schicksal der Wahrheit dieses Landes
Diesen Titel gab Michael Opitz dem Beitrag, der jüngst in Heft 4 2023 der Literaturzeitschrift SINN UND FORM erschienen ist: vier Briefe Wolfgang Hilbigs an Stephan Hermlin. Die kulturpolitischen Kontexte, die Hilbig-Biograf Opitz mit den vorherigen Briefeditionen - 2021 und 2019 - und besonders in seinem Nachwort zu "Sphinx" beleuchtet, konkretisieren sich hier nochmals. Neben Franz Fühmann setzte sich 1983 nämlich auch Stephan Hermlin für das Buch "STIMME STIMME" ein, das dann im Herbst bei Reclam Leipzig herauskam. Jetzt, 40 Jahre später, sind Hilbigs Briefe an Hermlin in SINN UND FORM nachzulesen.
SINN UND FORM 4 2023
Weiden bei Gewitterlicht
2023 beginnt die Hommage zum Geburtstag von Wolfgang Hilbig mit atmosphärischen Bildern: Die Künstlerin Katja Enders-Plate beschäftigt sich seit langem mit Hilbigs Texten, ihre Auseinandersetzung vor allem mit der Natur, führte sie in die Auen um Meuselwitz und gipfelte im gefeierten Grafik-Zyklus "Salix" (Weidenbaum). Die zwölf Radierungen und weitere Arbeiten zeigt die Künstlerin am 31. August 2023 ab 15 Uhr in der Ausstellung "Ort der Gewitter". Sie thematisiert so Hilbigs gleichnamige Erzählung. Für das Künstlerinnengespräch ab 17 Uhr ist eine Anmeldung beim Veranstalter erforderlich. Eine Mappe mit 6 Radierungen ist erhältlich.
Zur Anmeldung
Neue Abmeyerei!
Passend zu den Gewitterweiden gibt Clemens Meyer am 31. August 2023 um 19 Uhr eine "Kunde von den Bäumen". Er verknüpft Hilbigs Text mit seinem eigenen Buch "Über Christa Wolf", das mit der DDR-Literatur auch Wolfgang Hilbig, Fritz Rudolf Fries, Werner Heiduczek und Germanisten wie Christel und Walfried Hartinger aus Leipzig in den Blick nimmt. Nach der "Alten Abmeyerei" mit der der Schriftsteller durch Deutschland tourte, hat er offenbar eine weitere Textcollage "Hilbig - Meyer" ersonnen. Eine Anmeldung ist auch für diese Veranstaltung über das Industriekulturfestival erforderlich.
Zur Anmeldung
Unsicheres Ufer: Strawalde
Es ist das vierte Video einer besonderen Serie: Strawalde antwortet in seinem Atelier in Berlin Karlshorst auf Fragen zum Künstlerbuch "Unsicheres Ufer", das vor genau zwanzig Jahren 2003 zu Gedichten Wolfgang Hilbigs entstand. In der Videoreihe "WortKunst Wolfgang Hilbig" setzt sich Kritiker Michael Hametner mit künstlerischen Werken auseinander, die im Kontext der Literatur Hilbigs geschaffen wurden: den Zyklen von Katja Enders-Plate und Johannes Heisig, einem Einzelgemälde Sighard Gilles und jetzt mit einem Künstlerbuch. Für die eigene Ästhetik der Videoreihe zeichnet der Literaturfotograf und -filmer gezett verantwortlich.
Zum Videofilm
Flöz Leipzig - eine Region und die Kohle
Am 15. September 2023 um 19 Uhr stellt der in Meuselwitz und Leipzig lebende Künstler Dieter Kalka in der Schau "Flöz Leipzig" in der Galerie KUB Lieder nach Gedichten von Wolfgang Hilbig vor. Andreas Buchwald liest aus der "Kohle-Saga" - einem in der Tagebauregion angesiedelten Romanzyklus: Buchwalds einst unweit von Meuselwitz gelegenes Heimatdorf Piegel wurde 1976 abgebaggert. Die vier Romane erstrecken sich - wie die Ausstellung - bis in die Gegenwart, in der die Region um Rekultivierung der Tagebaulandschaft, um Kohleausstieg und nachhaltige Lebensbedingungen ringt. In Pödelwitz, auf halber Strecke zwischen Leipzig und Meuselwitz, wird sonntags vor Ort informiert.
Zum Veranstaltungsflyer
Der Held und seine Heizung
heißt das aktuelle Buch von Susanne Stephan, das die realen und imaginären "Brennstoffe der Literatur" erkundet und sich - "Die blaue Blume in der Asche" - mehrfach Wolfgang Hilbig, aber auch Wilhelm Bartsch und Lutz Seiler widmet. Schon Lichtenberg habe über die Heizung als das "Herz der Häuser" nachgedacht, Zola stieg, wie später Fühmann, in Kohlegruben hinab, Hermann Melville gar fuhr zur Gewinnung des Leuchtbrennstoffs Walfischtran zur See. Erkennbar werde, so Stephan, welche Kraft- und Treibstoffe unsere Lebensweise [...] tragen; im Schwarzlicht der energetischen Betrachtung leuchtet jenes mächtige Fluidum auf, das wir sonst nicht sehen, nicht sehen wollen, solange es für eine gewisse Freiheit und Bequemlichkeit sorgt.
Zum Buch
Hilbig in M.
Der Gedenkstein für Wolfgang Hilbig in Meuselwitz, oben im Foto, wurde in der Tagebaulandschaft gefunden, die die Ausstellung "Flöz Leipzig" und, im Kontext Hilbig, Susanne Stephan beschreiben. Am 23. September 2023 ist der Stein Treffpunkt für die Besucher des Leipziger Literaturhauses, die auf Exkursion in "M." gehen - ans "unsichere Ufer" also und zur "Heimatstraße" mit dem Konsum, an dem der Briefkasten hing, zu dem Hilbig seine Post trug: die fiktive des "dunklen Mannes" zum Beispiel ebenso wie die Briefe an Stephan Hermlin. Auskünfte zu dieser Exkursion erteilt das Team des Literaturhauses.
Zur Exkursion
|
|