An der Martin-Luther-Universität Halle wird im Dezember im Rahmen des Forschungsprojektes "Experimentierfeld Dorf" folgender Workshop stattfinden: "Topografische Leerstellen. Ästhetisierungen verschwindender und verschwundener Dörfer und Landschaften in Literaturen, Filmen und Künsten". Als literarischer Vertreter ist Wolfgang Hilbig ins Konzept des Workshops eingebunden. Bewerbungsschluss für Beiträger ist der 15. Juli 2016.
In der Konzeptbeschreibung heißt es:
"[...] Das Verschwinden von Dörfern und Landschaften, sei es als langwieriger Prozess oder abruptes Ereignis, hinterlässt in seinem Ergebnis immer (verschiedenste) Leerstellen. Solche Leerstellen – seien sie nun real vorhanden oder imaginär vorgestellt, erinnert oder antizipiert – sind es jedoch auch, die die individuelle und kollektive Vorstellungskraft immer wieder aufs Neue antreiben und herausfordern. Literarische und künstlerische Werke haben dabei nicht nur die Prozesse der ‚Entdeckung‘ des Dörflichen im Zeitalter der Aufklärung und durch die bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts begleitet, sondern thematisieren seitdem auch den Prozess des Verschwindens, archivieren das Verschwundene im kulturellen Gedächtnis, reflektieren Ursachen und Wirkungen und/oder greifen engagiert ein.
Ein prägnantes (und nach wie vor aktuelles) Beispiel für das Verschwinden ganzer Dörfer und Landschaften bietet sicherlich der Braunkohletagebau. So mussten u.a. im Abbaugebiet des „Mitteldeutschen Reviers“ bis heute über 50.000 Menschen ihre Wohnorte (zumeist Dörfer) verlassen, weil diese im Zuge der Braunkohlegewinnung devastiert und überbaggert wurden. Dieses gewaltige Ausmaß des Verschwindens evoziert beinahe selbstverständlich wirkmächtige Bilder, die dann wiederum über Literatur und Kunst verstärkt vermittelt werden.
Ein wichtiger Chronist dieses Landstriches ist der gebürtige Meuselwitzer Wolfgang Hilbig. Bei ihm wird die Sprache, wenn auch als machtloses Instrument, zum einzig wirksamen Mittel erkoren, die Brutalität dieser Gegend darzustellen, die die ihr zugefügte Gewalt mit gleicher Vehemenz wieder auszustrahlen scheint. Das Hilbigsche Territorium ist instabil, von Schächten und Bunkern unterhöhlt, vom Verfall zerfressen, von Menschenhand geschunden und zerstört; es ist dem Untergang geweiht. Sei es in seinem frühen Gedicht erinnerung an jene dörfer (1972) („die bagger blieben die dörfer sind fort / ein dürstender der sonnen flieht und wolken / so floh aus jedem dorf der teich“) oder in Prosaarbeiten wie der Alten Abdeckerei (1991) – immer wieder verweisen seine Werke auf jene Orte, die heute nicht mehr vorhanden sind und deren Verfall und Verschwinden bereits während ihrer Existenz an ihnen ablesbar war. An die Stelle jener Ortschaften traten riesige Tagebaue, deren Ausmaße unter anderem in der Malerei Wolfgang Mattheuers (Oh, Caspar David..., 1975) und den Fotografien Inge Rambows deutlich werden (Wüstungen. Fotografien 1991 – 1993). Durch die Anlehnung an das klassische Format romantischer Landschaftsdarstellungen zeigen die Bilder und die Fotografien das ästhetische Potential der Tagebaue, jedoch ohne diese dabei in idyllisierender und romantisierender Weise als Landschaften in einem klassischen Sinne zu inszenieren. Gerade die wahrnehmbare Differenz zwischen der Form und dem Gegenstand der Darstellung sorgt hier für ein eigenartiges Spannungsgefüge. Dabei machen insbesondere Inge Rambows Fotografien durch die gewählte Bildkomposition mit sehr hoch gesetztem Horizont das Ausmaß der Zerstörung und des damit einhergehenden Verschwindens deutlich. Hier erinnern teilweise nur noch die Titel an das, was an den abgebildeten Stellen einst vorzufinden war (z.B. Ehem. Bösdorf, Sachsen 1991). [...]."
Nähere Informationen finden Sie hier.